Wenn du beginnst, dich mit ätherischen Ölen für Hunde zu beschäftigen, stößt du schnell auf Aussagen wie:
„Nur therapeutische Qualität ist sicher“ oder „Lavendel geht immer“.
So gut gemeint viele Tipps auch sind, nicht alles, was häufig wiederholt wird, ist auch fachlich richtig. In diesem
Beitrag werfen wir einen genauen Blick auf drei hartnäckige Mythen rund um die Tier-Aromatherapie und zeigen dir, woran du dich stattdessen wirklich orientieren kannst.
Ganz ohne Panikmache, doch auch ohne rosarote Brille.
Dieser Satz begegnet einem in der Tier-Aromatherapie immer wieder. Gerade Einsteiger:innen verlassen sich gern auf solche Aussagen, weil sie Orientierung bieten, doch genau hier lohnt es sich, genauer hinzusehen. Denn: Der Begriff "therapeutische Qualität" ist nicht geschützt. Es gibt keine internationale Norm, keine offizielle Prüfbehörde und kein unabhängiges Gremium, das diese „Qualität“ zertifiziert. Vielmehr handelt es sich um einen Marketingbegriff, der von einigen Firmen strategisch genutzt wird, um die eigene Produktlinie von anderen abzugrenzen und dabei ein Gefühl von Sicherheit zu erzeugen.
Natürlich gibt es große Unterschiede in der Qualität ätherischer Öle, keine Frage. Aber ein wirklich hochwertiges Öl erkennst du nicht an Werbeslogans, sondern an transparenten Qualitätsnachweisen. Dazu gehören u. a.:
Ein Öl, das du deinem Hund (und dir selbst) guten Gewissens anbieten möchtest, sollte diese Angaben klar ausweisen, unabhängig davon, ob es als „therapeutisch“, „klinisch“, „medizinisch“ oder einfach nur „100 % naturrein“ beworben wird.
Besonders wichtig wird das, wenn du mit empfindlichen Tieren arbeitest, z. B. mit älteren Hunden, Welpen oder Hunden mit Atemwegserkrankungen. Hier reicht es nicht aus, sich auf Etiketten zu verlassen, Qualität zeigt sich in der Tiefe, nicht im Werbeversprechen.
Viele denken bei Lavendel sofort an Entspannung, innere Ruhe und guten Schlaf, auch bei Hunden. Doch so einfach ist es nicht. Denn: Lavendel ist nicht gleich Lavendel.
Hinter dem Namen „Lavendel“ verbergen sich mehrere Pflanzenarten mit ganz unterschiedlichen Inhaltsstoffen und Wirkungen. Besonders häufig begegnen einem:
• Echter Lavendel (Lavandula angustifolia) mild, hautfreundlich, beruhigend
• Speiklavendel (Lavandula latifolia) enthält Kampfer & 1,8-Cineol, reizt Atemwege
• Schopflavendel (Lavandula stoechas) hoher Gehalt an Monoterpenketonen, für Hunde nicht geeignet
Während Lavandula angustifolia für Hunde grundsätzlich gut geeignet ist, können die anderen Arten kontraproduktiv oder gesundheitlich riskant sein.
Doch selbst beim echten Lavendel gilt: Nicht die Menge macht die Wirkung.
Für eine entspannende Wirkung ist eine niedrige Dosierung entscheidend. Wird zu viel ätherisches Öl eingesetzt, etwa bei Raumbeduftung oder im Körperöl, kann die Wirkung ins Gegenteil kippen: Statt
zu beruhigen, regt Lavendel dann an. Das gilt für Menschen ebenso wie für Hunde.
Außerdem: Was beim Menschen oder einem anderen Tier wirkt, kann beim eigenen Hund ganz anders ankommen.Der Grund liegt im individuellen Duftgedächtnis, den sogenannten limibischen Markern.
Ein Beispiel:
Ein Auslandstierschutzhund, der bei seiner Einfangaktion neben einem Lavendelfeld sediert wurde, kann später negativ auf Lavendelöl reagieren, nicht, weil es „schlecht“ ist, sondern weil es mit einer
bedrohlichen Erfahrung verknüpft wurde.
Zudem ist Lavendel kein pauschales „Beruhigungsmittel“.
Manche Lavendelöle, vor allem der echte Lavendel, wirken eher regulierend als sedierend. Das heißt: Sie helfen dem Organismus, aus einer Über- oder Untererregung zurück
ins Gleichgewicht zu finden. Gerade bei übermüdeten oder festhängenden Hunden kann das auch heißen: Erst Aktivierung, dann Entspannung.
Fazit: Wenn du Lavendel bei deinem Hund einsetzen möchtest, achte auf die botanische Bezeichnung, die Art der Anwendung, die Dosierung und die individuelle Geschichte deines Hundes.
Die Nase eines Hundes ist ein Wunderwerk. Je nach Rasse verfügt er über bis zu 300 Millionen Riechzellen, der Mensch hat im Vergleich nur etwa 5 Millionen. Hunde riechen nicht nur intensiver, sondern auch vielschichtiger: Sie können Duftkomponenten differenziert wahrnehmen, die für uns völlig unbemerkt bleiben.
Wenn wir also einen bestimmten Duft als „angenehm“ oder „sanft“ empfinden, heißt das noch lange nicht, dass er für unseren Hund ebenso stimmig ist. Im Gegenteil: Ein ätherisches Öl, das für uns kaum wahrnehmbar erscheint, kann bei Hunden bereits eine intensive Reaktion auslösen, körperlich wie emotional.
Ein typischer Irrtum:
„Ich finde das Öl angenehm, mein Hund wird das schon mögen.“
Doch so funktioniert tiergestützte Aromatherapie nicht. Vor allem stark konzentrierte Öle oder komplexe Duftmischungen können für Hunde,, trotz ihrer positiven Eigenschaften, eine Reizüberflutung darstellen oder gar Stress auslösen. Hunde können Gerüche nicht „abstellen“. Sie sind ihnen in der Umgebung permanent ausgesetzt – auch wenn wir den Raum längst verlassen haben.
Hinzu kommt: Ein Duft wirkt beim Hund nicht nur auf der körperlichen Ebene. Er beeinflusst sein emotionales System, sein Verhalten und seine Verarbeitung von Erfahrungen.
Gerade deshalb braucht es Sorgfalt, Respekt und feines Beobachten, bevor ein Duft zur Anwendung kommt.
Aromatherapie für Hunde ist kein Hexenwerk, aber auch keine Spielerei. Sie berührt das Nervensystem, die Emotionen und manchmal tiefe Erfahrungen. Deshalb lohnt es sich, nicht nur auf den Duft, sondern auch auf die Details zu achten: auf die Qualität, die Dosierung, die individuelle Geschichte des Hundes.
Mythen wie „therapeutische Qualität“, „Lavendel hilft immer“ oder „was mir gut tut, hilft auch meinem Hund“ halten sich hartnäckig. Doch sie greifen zu kurz und können im schlimmsten Fall sogar Schaden anrichten. Umso wichtiger ist es, sich gut zu informieren, feine Unterschiede zu erkennen und das eigene Wissen Schritt für Schritt zu vertiefen.
Wenn du die Serie von Anfang an verfolgt hast, erinnerst du dich vielleicht an unseren Einstieg in das Thema Duftintensität und die Frage, wie Hunde riechen. Oder an den Beitrag über das sogenannte Duftfenster, das erklärt, warum ätherische Öle so individuell wirken. All das sind wertvolle Bausteine für einen sicheren und respektvollen Umgang mit Düften im tierischen Alltag.
Du hast Fragen, Unsicherheiten oder möchtest deine Erfahrungen teilen? Dann komm gerne in den Austausch, entweder in den Kommentaren oder über meine Website.
Denn: Echte Aromatherapie beginnt dort, wo wir bereit sind hinzuhören, nicht nur mit der Nase, sondern mit Herz und Verstand.